Samstag, 25. Juni 2016
"Suche weichen Sessel. Tausche, gegen harten Stuhl."
Nee, was ist das nur lustig das Seniorenleben. Naja, wenn die Gesundheit mitmacht. Das Schwert des Damokles für Alle.

Mich hat es gerade dämlich erwischt. So wie meine Wühlerei im Garten zu Grenzüberschreitungen führt, die ich dann als schmerzhaftes Sahnehäubchen serviert bekomme. So ist meine geschwundene Überempfindlichkeit gegen "Kälte" ebenfalls ein Phänomen, welches mich über Grenzen zu treiben in der Lage ist.
Mein Temperaturfenster bis zu diesem Frühjahr lag irgendwo jenseits der 25°, und über 38° oben unter der Zimmerdecke oder in direkter Ofennähe habe ich mich auch nicht beschwert.
Ich lief immer in ein oder notfalls zwei Decken gewickelt herum (darunter in voller Montur) und das über Jahre. Wenn ich mal kurz zu leicht bekleidet draußen war oder die Bude nicht richtig warm, dann brauchte ich Stunden, um mich einigermaßen "einzukuscheln". Denn mit dem Frieren habe ich es gehalten wie mit den Ganzkörperschmerzen, ich habe sie "wegmeditiert".
Dass ich hier das Verb meditieren verwende, hat öfter schon zu Protesten aus der Fraktion der "echten (richtigen? wahren?) Meditierer" geführt. Die haben das Wort nämlich geclaimt und rücken es nicht raus. "Das ist kein richtiges Meditieren, was du da machst." heißt es dann. OK, bin schließlich weder Zen-Buddhist noch indischer Fakir, oder wer sonst noch zu dieser Fraktion zählen mag, und sowieso grundsätzlich bereit, dem Wort des Fachmanns zu vertrauen (außer natürlich bei [lange Liste verlogener Experten] wegen der Aufklärung und so) Deswegen "meditiere" ich nur in Gänsefüßchen (oder hießen die Tüttelchen?), Hauptsache ich bewältige meine Schmerzen respektive den innerlichen Frost. Ein Freund nannte mich deswegen immer "Väterchen Frost". Das klang sogar noch cool :-)

Wie auch immer, jetzt laufe ich normal gekleidet herum und kann auch mal kurz ohne Jacke vor die Tür. Tja, und da haben wir dann auch die Grenze. Dieses "kurz" ist relativ relativ, weshalb hier die Fehlerwahrscheinlichkeit ziemlich unwägbar ist.

Vor zwei Tagen war der Gemeindediener vor meinem Grundstück tätig.



Der Leitpfosten ist der wahre Übeltäter. Denn der war der Grund für des Gemeindedieners Auftritt. Allerdings hatte er die Zeit, sich mit mir zu unterhalten. Ich war gerade mal raus, den Hund pieseln lassen, das Wetter live checken und ne Fluppe durchziehen. Dabei nen netten Schnack zu halten, kam dann als Bonus.
Wir mäanderten so durch die Themen, und der Gute lies durchblicken, dass er mich noch immer so nett findet wie früher. Er gehört mit zu den ersten indigenen Kontakten, die ich damals Anfang der 80er hier im Dorf knüpfte.
Aber auch er hatte ne Phase, in der er grimmig dreinschaute. Wie einige Andere auch aus dem Dorf. Weil es mir immer so schlecht ging, und ich mich so scheiße fand, dachte ich zumeist, die hätten wohl was gegen mich.
Aber bei solchen Gesprächen wie jetzt vor meiner Haustür musste ich mehrfach schon feststellen, dass die Muffelfressen ganz andere Ursachen hatten, als ich das eingeschätzt hatte. Einmal war es das Ende des Alkoholismus begleitet vom Ende des Unternehmertums. Klar guckt man dann scheiße aus der Wäsche, wenn dir dein gewohntes Leben weggeschreddert wird vom Schicksal. Da kann ich ein Lied von singen, hmm könnte, wenn ich des Singens mächtig wäre.
Und beim Klönschnack vor der Tür erfuhr ich jetzt vom Bandscheibenvorfall, und eine heftige Narbe durfte ich mir auch ansehen. "Da haben sie mir die Schulter wieder zurecht geflickt." lauteten die beschreibenden Sätze. Für einen Gärtner sind das schwere Blessuren. Der Gemeindedienerjob ist da zum Glück ziemlich elastisch. Es gibt zwar Zeiten zum Reinhauen wie irre, aber eben auch welche, in denen Erholung möglich ist, sofern man sich das entsprechend einteilen kann.
Der andere Opi meiner Enkelin ist auch Gärtner und hat mit Mitte Fünfzig eine neue Hüfte benötigt. Aha, deswegen war er deutlich unlustiger und anfallweise ungerecht geworden. Es lebt sich nicht gut mit Schmerzen, die dann auch noch ein Weiterarbeiten fraglich machen.
Warum wir gesamtgesellschaftlich so sehr auf das Vorhandensein eines validen Geschäftsmodells für jeden Menschen fixiert sind, ist mir überhaupt nicht einsichtig. Es ließe sich auch anders organisieren, und die aktuellen Mängel in der Aufstellung müssten doch für Jedermann erkennbar sein, oder nicht?

Auf jeden Fall blieb ich zu lange draußen und dann noch stehend. Das mit dem steif gestandenen Rücken hat sich wieder gegeben, aber jetzt habe ich Fieber und son Mist. Halsschmerzen und was dazu gehört. Hoffentlich erweist sich Fußball Gucken als Wunderheilung :-)

Vor dem Gemeindediener war der Bankettenmäher ebenfalls hier. Das ist einer der Bauern, die es noch gibt, und er mäht im Auftrag der Gemeinde die Straßenränder mit nem Kreiselmäher (glaube ich). Er oder seine Vorgänger haben den Leitpfostenbestand auf 0 gebracht. Diese Kreiselmäher an nem Trecker mit mehreren hundert PS machen vor garnichts halt.



Deutlich zu sehen: beide Seiten platt.
Das lief gänzlich anders, als ich damals Ende 80er hier einzog. Da unterbrachen sie ihr Mähen beidseitig auf der gesamten Strecke meines Grundstücks. Das habe ich dann mit der Sense erledigt, aber als wir einen Rasenmäher angeschafft hatten, weil die Kinder zu laufen begannen, sollte auch die Bankette damit aufgehübscht werden.
Bis auf drei Eschen, die schon lange dort standen, ist der gesamte Bewuchs von mir. "Das ist nicht erlaubt." sagte ein Hundespaziergänger, den ich schon seit Jahren aus dem Dorf zumindest vom Sehen her kannte. Er sei der Deichvogt und hätte deswegen die Pflicht, mich darauf aufmerksam zu machen.
Jo, danke, das hätte er ruhig ein paar Wochen früher erzählen können, denn immerhin kam er tagtäglich mit seinem Köter bei uns vorbei und hat mir zugeschaut. Ist das nicht frech?
Immerhin musste ich nix entfernen und jetzt ist es zu spät. Alles voll und in der zweiten Reihe an der Sielzugböschung wachsen nur selbstausgesäte Bäume. Für die kann ich nichts, echt nicht :-)
Außerdem haben andere Nachbarn (indigene nämlich!) ebenfalls die Sielzugkante bepflanzt. Bei denen war er garantiert nicht.
Meine Kornblumen und andere Stauden, die ich dort so pöapö hingepflanzt habe, sind der Verkabelung zum Opfer gefallen. Der Strom sollte nicht mehr per Überlandkabel geliefert werden, sondern ein modernes Erdkabel markierte den Fortschritt. Den Strommast aus Beton hätte ich eigentlich gerne behalten, aber das ist ja so eine Sache hinsichtlich der Versicherung. Damals war ich zwar schon Hartzianer und bin deswegen jeden nur erdenklichen Kosten aus dem Weg gegangen, aber dass mir Versicherungen und Sämtliches dazu mal so egal sein sollten, konnte ich mir da noch nicht vorstellen.

Im Kommentarbereich sind noch ein paar schicke Blüten zu bewundern.

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